Gemeinsamer Bußakt zum Reformationsgedenken

Mit einem gemeinsamen Bußakt wollen die Kirchen zum Reformationsgedenken 2017 an die gegenseitig zugefügten Verletzungen und zugefügten Wunden erinnern. Dazu soll es in allen Bistümern und Landeskirchen am Vorabend des zweiten Sonntags der Fastenzeit ökumenische Gottesdienste geben, wie der evangelische Landesbischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, am Mittwoch in Würzburg sagte. Er hoffe, dass nach diesem „Healing of memories“ Katholiken verstehen könnten, warum sich Protestanten freuten. Man feiere 2017 mit gutem Gewissen, aber nicht triumphalistisch, betont Hein. (kna)

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a) Auf dem Flughafen Schönefeld ist vor einigen Jahren ein Abschiebegefängnis für Menschen eröffnet worden, die aus Ländern außerhalb von Europa mit nicht ausreichenden Personalpapieren einreisen wollen. Ohne offiziell deutschen Boden zu betreten und ohne juristischen Beistand sollen in einem Schnellverfahren innerhalb einiger Tage überprüft werden, ob sie asylberechtigt sind. Dieser Umgang entspricht nicht unserem Rechtssystem. Daraufhin hat unsere Gruppe Ordensleute gegen Ausgrenzung eine Mahnwache vor diesem Gebäude beantragt, um uns dort – wie seit über 20 Jahren vor der Abschiebehaft in Berlin-Köpenick – mit dieser Wirklichkeit auch im Gebet zu konfrontieren. Unser Anliegen wurde abgelehnt. Keiner soll bemerken, was dort geschieht.

Ich klage gegen das Versammlungsverbot am 26. Juni vor dem Bundesgericht in Karlsruhe. Das Gelände des Flughafens ist an die Flughafengesellschaft übergeben worden. Solche Auslagerungen sind in der Wirtschaft und auch bei staatlichen Stellen weit verbreitet. Dadurch können wir uns nicht mehr an die Auftraggebern wenden – Freiheitsentzug ist eine hoheitliches Privileg – sondern wir müssen unser Anliegen privatrechtlich gegenüber der Flughafengesellschaft erstreiten.

Das Gefängnis liegt auf einem Industriegelände neben dem Flughafen gegenüber einer großen Halle für Luftfracht. Viele Menschen sind dorthin und zu anderen Institutionen auf dem Gelände unterwegs. Juristisch sind sie aber keine Öffentlichkeit, weil sie nicht zufällig sondern zielorientiert unterwegs sind. Die ersten beiden Gerichte haben deshalb unser Anliegen abgelehnt, weil neben dem Abschiebegefängnis keine Werbetafeln oder ein Kaffee gibt.

Auf dem Blog werden die einzelnen Schritte auf dem Weg bis zum Bundesgericht dokumentiert, um die notwendigen Informationen für alle griffbereit zu haben, die hinsehen und berichten wollen.

Bitte platziert diesen Link an geeigneter Stelle: https://flughafenverfahren.wordpress.com/ Er wird immer wieder aktualisiert.

b) Viele mehr persönliche Themen, Querverweise, Artikel, Termine finden sich unter folgender Adresse: https://nacktesohlen.wordpress.com/

Herzlichen Dank im Voraus
Christian Herwartz

 

Neue Bücher entstehen

In den letzten 15 Jahren sind einige Artikel und Bücher über die Exerzitien auf der Straße geschrieben worden. Gesammelt sind sie unter dem Stichwort Materialien. Das Taschenbuch Auf nackten Sohlen zeichnet die Entstehungsgeschichte nach und führt in die Praxis der Exerzitien ein.  Und das Taschenbuch Brennende Gegenwart ist die Anleitung für einen 10-tägigen Exerzitienkurs. (Beide Bücher liegen auch in einer spanischen Übersetzung vor.) In der philosophische Doktorarbeit Vom Gastgeber zur Geisel des Anderen beleuchtet Susanne Szemerédy das Vorgehen während der Übungen mit Hilfe der Philosophie von Emmanuel Levinas.

Zur Zeit wird an zwei neuen Büchern gearbeitet, die 2016 herauskommen sollen:
Ein Taschenbuch in der Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH  wird nochmals eine Einführung in diesen Übungsweg von einem Autorenkollektiv enthalten. Zusätzlich ist ein Teil des Buches für Erfahrungsberichte reserviert, die direkt nach einem Kurs geschrieben wurden oder die viele Jahre später auf die Früchte dieser Übungszeiten hinweisen. Wir sammeln noch entsprechende Geschichten.
Michael Schindler sitzt an einer theologischen Doktorarbeit, die er im Sommer vorlegen will. Der Entwurf ist spannend zu lesen.

Wir werden von dem Fortgang der beiden Arbeiten berichten.

Schon dieses Jahr soll ein französische Einführung in die Exerzitien auf der Straße herauskommen – bearbeitet von der Gemeinschaft christlichen Lebens (GcL).

Entführter Pater Prem Kumar Alexius wieder frei

Radio Vatikan 22.02.2015

Indien/Afghanistan
Der von den Taliban entführte Pater Prem Kumar Alexius ist wieder frei. Wie der Jesuitenorden im Internet bekannt gab, sei er nach acht Monaten wieder auf freien Fuß gesetzt worden und werde noch an diesem Sonntag in Neu Dehli erwartet. Die Nachricht beruht auf einem Tweet des indischen Premierministers Modi. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatten Sicherheitskräfte die vermutlichen Entführer des Jesuiten festgenommen. Pater Prem hatte in der Herat-Provinz als Repräsentant des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes gearbeitet. (pm)

Freude!

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Radio Vatikan 4.03.2015

Afghanistan/Indien: Der entführte Jesuitenpater erzählt

Der Jesuitenpater Alexis Prem war monatelang Geisel in Afghanistan. An neun verschiedenen Orten musste er auf seine Freilassung warten. Am 22. Februar kam er endlich wieder in seinem Heimatland Indien an. 

Pater Alexis Prem Kumar hat während seiner achtmonatigen Geiselnahme in Afghanistan Radio Vatikan gehört, das gab ihn Kraft. Prem stammt aus Indien, lebte seit 2011 in Afghanistan und arbeitete für den Jesuitenflüchtlingsdienst JRS in einem Schulprojekt. Am 2. Juni 2014 wurde er in der Nähe von Herat von bewaffneten Unbekannten gekidnappt. Erst vor wenigen Tagen kam er frei. Im Interview mit Radio Vatikan erzählt er, was am Tag seiner Entführung geschah.
„An diesem Tag hatte ich in zwei Schulen zu tun; um 12.30 Uhr gingen alle Schüler nach Hause, ich wollte noch einiges mit den Lehrern besprechen. Auf einmal tauchte ein Fahrzeug mit vier bewaffneten Männern auf. Wir rannten um unser Leben, aber sie schossen, und binnen zweier Minuten hatten sie mich in ihrer Gewalt. Ich habe mich ihnen praktisch ergeben.“
Die Entführer hätten ihm sofort sein Handy abgenommen und seien dann, mit ihm auf dem Rücksitz, zwei Stunden bis zu einem Dorf gefahren. Er durfte nicht den Kopf heben und wusste somit nicht, wohin die Fahrt ging. Nach einem Gespräch mit dem Anführer der Gruppe versicherte man ihm, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Man würde ihn bald freikaufen. Für Pater Prem begann die Gefangenschaft in einem Dorf: Keine schöne Zeit.
„Sie wollten mich fesseln; ich protestierte. Sofort kam jemand mit einem Gewehr und ein anderer Mann mit einem Messer; sie bedrohten mich. Schließlich fesselten sie mir Hände und Füße und verbanden mir die Augen, so blieb das den ganzen Morgen über. Am Nachmittag wurde ich dann an einen anderen Ort gebracht, wo man mich acht Tage lang gefangen hielt.“
Am achten Tag wurde dem Jesuiten mitgeteilt, seine Regierung habe Lösegeld für ihn bezahlt, er sei jetzt ein freier Mann, man werde ihn an einen Ort der Übergabe bringen. Doch anstatt ihn freizulassen, lieferten die Entführer ihn einer anderen Gruppe aus. Bei dieser verbrachte der indische Pater die restliche Zeit seiner Geiselhaft. Ständig wechselte man den Ort – nach seiner Zählung war er an neun verschiedenen Orten. Meistens wurden ihm Hand- und Fußfesseln angelegt, die sich nur mit verschiedenen Schlüsseln öffnen ließen, berichtet Prem.
„Manche der Wärter waren gute Menschen, die mir möglichst gutes Essen zuschoben oder meine Hände ungefesselt ließen; aber einer war wirklich schlimm, der bestand darauf, dass ich die ganze Zeit Handschellen trug und in Ketten gelegt wurde. Für mich war das eine Art Folter. Dieser Wärter war einmal bei einem Gefecht mit Nato-Truppen verwundet worden; er beschimpfte mich manchmal heftig. Geschlagen wurde ich allerdings nie. Das Essen war gar nicht schlecht; die Wärter gaben mir in der Regel dasselbe, was auch sie aßen, manchmal sogar Fleisch. Am Anfang war noch Sommer, da gab es viel Gemüse, aber je näher der Winter rückte, desto seltener wurde das Gemüse. Jedenfalls ließen sie mich nie absichtlich hungern.“
Einmal wurde Prem krank und bat um einen Doktor. „Der kommt morgen“, erhielt er zur Antwort, doch ein Arzt tauchte nie auf. Immerhin pflegte einer der Wärter, der sich laut Prem wirklich gut um ihn kümmerte, ihn wieder gesund. Bis heute weiß der Pater nicht genau, ob seine Kidnapper Taliban waren oder irgendeiner anderen Gruppe angehörten. Sie hätten ihn immer möglichst von Dörfern ferngehalten, in isolierten Häusern oder auch Höhlen versteckt.
„Sie haben mir nie direkt gesagt, warum sie mich gekidnappt hatten. Aber manchmal sagten sie mir: Warum sind Sie überhaupt nach Afghanistan gekommen? Was suchen Sie hier? Das ist unser Land! Und wenn Sie einmal nach Indien zurückkehren, dann halten Sie sich künftig von Afghanistan fern! Wenn Sie hierher zurückkommen, dann erschießen wir Sie! Dadurch wurde klar: Sie wollten einfach keine Ausländer in ihrem Land. Ich vermute, das ist der Grund, weshalb sie mich entführt haben.“
Schon in den ersten Monaten von 2014 hatte Pater Prem, ebenso wie andere Inder in Afghanistan, immer wieder Warnungen erhalten. Er bringt das mit dem damaligen Klima vor den Präsidentenwahlen in Verbindung. Natürlich sei er vorsichtig gewesen; doch habe es in dem Ort, in dem er arbeitete, sicher auch Leute mit Verbindung zu den Taliban gegeben. Es folgten acht Monate Gefangenschaft, ohne Bibel, ohne Fernsehen.
„Drei Stunden pro Tag habe ich normalerweise gebetet; und sie gaben mir ein Radiogerät. Das war wirklich hilfreich: Ich hörte die Sendungen von Radio Vatikan auf Englisch und Tamil, das tat mir wirklich gut; am Sonntag konnte ich die Messe hören. Manchmal bekam ich Radio Vatikan allerdings nur schwer rein, in abgelegenen Gegenden; aber immer, wenn ich es hören konnte, war ich wirklich glücklich – es bedeutete mir viel. In dieser schwierigen Lage hat es mich wirklich getröstet.”
Die Papstbesuche in Sri Lanka und auf den Philippinen in diesem Januar habe er so aus seiner Geiselhaft irgendwo in der afghanischen Provinz mitverfolgt: Das habe ihn auch abgelenkt, so Pater Prem, schließlich habe er sich in dieser Zeit viele Sorgen gemacht.
Im Oktober 2014 habe man ein Video von ihm aufgenommen – das habe seine Hoffnung auf eine baldige Freilassung vergrößert. Das Video war auch für seine Mitbrüder aus dem Jesuitenorden das erste Lebenszeichen seit der Entführung. Heute ist Prem in Indien – würde aber sofort nach Afghanistan zurückkehren, wenn man das von ihm verlangte. Man höre als Jesuit auf seinen Oberen, außerdem fehlten ihm die Leute aus Afghanistan. Er wäre diesmal eben vorsichtig, sagt Pater Prem. Sehr verändert hat ihn die Erfahrung der Geiselhaft nicht, glaubt er – mit einer Ausnahme.
„Ich hatte mehr Zeit zum Beten, als ich gefangen war. Seitdem fühle ich, dass Beten die Welt verändern kann. Beten wirkt Wunder. Das ist für mich ein neues, starkes Gefühl. Und nach meiner Freilassung ist mir klargeworden, dass Tausende von Menschen in aller Welt für mich gebetet haben. Außerdem ist mir in meiner Gefangenschaft ganz anders klargeworden, wie sehr wir von Gott abhängig sind. Und Gott hat mich wirklich geführt und getröstet; ich glaube, ich war ihm in diesen Tagen der Gefangenschaft viel näher.“
(rv 04.03.2015 pdy/sk)

Straßenexerzitien beim evangelischen Kirchentag, Stuttgart

Exerzitien auf der Straße auf dem Kirchentag sind zu finden im

 Geistliches Zentrum
am Freitag 5. Juni
15.00-18.00 Geistliches Leben bildet Gemeinschaft
Mit Menschen auf der Straße unterwegs
P. Christian Herwartz SJ, Arbeiterpriester, Berlin
Neue Lebens- und Glaubens-Räume im alten Spital
Sr. Brigitte Arnold, Pfarrerin, Kommunität Diakonissenhaus Riehen/Schweiz
Marcus Sartorius, Drittorden Kommunität Diakonissenhaus Riehen/Schweiz
Gospel – eine Bewegung bricht sich Bahn
Thomas Dillenhöfer, Gospel im Osten, Stuttgart
Albrecht Hoch, Pfarrer, Stuttgart
Kirche vor Ort oder Kirche als Netzwerk
Bischöfin Petra Bosse-Huber, Ökumene und Auslandsarbeit Ev. Kirche in Deutschland (EKD), Hannover
Podium mit den Vortragenden und
Dr. Christian Hennecke, Fachbereich Missionarische Seelsorge, Bistum Hildesheim
Moderation:
Bärbel Hartmann, Kirchenrätin, Bad Urach
Karl-Heinz Jaworski, Diakon, StuttgartAlte Stuttgarter Reithalle, Seidenstr. 34 (114 / m29

Samstag 6. Juni
11.00-18.00 Mitmachangebot: Exerzitien auf der Straße
Start vor der Berger Kirche
P. Christian Herwartz SJ, Arbeiterpriester, Berlin

Die Exerzitien auf der Straße werden an der Berger Kirche Ihren Startpunkt haben.

Ab 15 bis 18 Uhr ist in der Liederhalle den Tagungsraum T23 gebucht.

Kommentar zu „Vom Gastgeber zur Geisel des Anderen“

Von Christian Herwartz

Susanne Szemerédy hat an ihrer Doktorarbeit über die Philosophie von Emmanuel Lévinas gesessen und sich als gelernte Sozialarbeiterin gefragt, wo sie diese Philosophie praktisch überprüfen kann. 2003 kam sie mit dieser Frage zu Exerzitien auf der Straße in Fribourg/Schweiz. Mit den Notizen aus diesen 10 Tagen, die im Buch nachzulesen sind, macht sie deutlich, dass sie nicht über die Exerzitien auf der Straße schreibt, sondern in einen dialogischen Prozess getreten ist. In den folgenden Jahren hat sie auch Exerzitienkurse mit begleitet und ist in ihren Beruf zurückgekehrt.

Ihre Arbeit ist auch für diejenigen gut lesbar, der die philosophische Fachsprache nicht verstehen. Nur im ersten Kapitel musste sie in der Abgrenzung von anderen philosophischen Fragestellungen nachweisen, welchem Forschungsgegenstand sie sich zuwenden wollte. Auch wenn es nicht so schwer ist, die Arbeit ohne all die Fußnoten zu lesen, würde ich mich über ein populärer gehaltenes Buch mit den Ergebnissen freuen.

Szemerédy, Susanne (2013) Vom Gastgeber zur Geisel des Anderen. Reihe: Münchner Studien zur Erwachsenenbildung, Band 8, 360 Seiten

Leseprobe aus „Auf nackten Sohlen“

„Dahin wage ich mich nicht“

Von Christian Herwartz

Leseprobe Seite 69/70 aus Herwartz, Christian (2006) Auf nackten Sohlen. Exerzitien auf der Straße. Ignatianische Impulse, Band 18. Echter Verlag, Würzburg.

Im Sommer 2003 fragte eine kleine Gruppe aus der Emmausbewegung an, ob sie zu Exerzitien nach Berlin kommen könnten. Sie wurde vom schon verstorbenen Bruder Jan gegründet, der regelmäßig in Gefängnisse ging, dort Bibelgesprächsgruppen gründete und der auch Land, auf Land ab die Treffpunkte von Drogenabhängigen kannte. Er ging vielen Menschen nach und lud sie zu Treffen ein. „Die Menschen in unserer Gruppe sind alle aus bedrückenden Lebensumständen umgekehrt. Sie wurden oft mit ihren Hoffnungen, mit ihren Fragen nach erfülltem Leben, nach Gott nicht ernst genommen,“ sagte er mir einmal. „Und sie sind mit ihrem Hunger nach Antworten und Liebe aus den herrschenden Anpassungsdruck ausgestiegen.“ „Leseprobe aus „Auf nackten Sohlen““ weiterlesen

„Auf nackten Sohlen“: Buchbesprechung von Michael Hainz

Von Michael Hainz

Dass „Exerzitien auf der Straße“ eine wirksames Instrument persönlicher Gottsuche, Heilung und Bekehrung sind, beginnt sich langsam herumzusprechen (www.strassenexerzitien.de). Bei dieser Exerzitienform sind Menschen sehr schlicht mitten in einer Stadt untergebracht und werden dazu angeleitet und dabei begleitet, Gottes Fingerzeige in der urbanen Wirklichkeit selbst lesen zu lernen und sich in scheinbar alltäglichen Begebenheiten vom Herrn selbst ansprechen und wandeln zu lassen.

P. Christian Herwartz, Jesuit und Arbeiterpriester in Berlin, erzählt nun erstmals anhand seiner Biographie, wie er in einem langen Prozess spirituellen Experimentierens dieses kostbare Geschenk der Exerzitien auf der Straße entdeckt und ihre grundlegenden Elemente allmählich entfaltet hat. Zur Sprache kommen so einzelne Etappen eines persönlichen Berufungsweges: die Ausbildung im Jesuitenorden, Lehrjahre bei französischen Arbeiterpriestern, die Gründung einer Kommunität in Berlin-Kreuzberg, überraschende persönliche Begegnungen, Einladungen zur Begleitung von Exerzitien usw.

Herwartz erzählt von sich und seinem „Schatz“, aber für andere: so nämlich, dass die Leserin, der Leser für ihr eigenes Leben Frucht ziehen können. Dazu trägt bei, dass am Ende jedes Abschnitts die geistliche Essenz des Erzählten nochmals kurz als „Übersetzungshilfe“ oder Tipp gebündelt wird. So werden die Episoden und Lernerfahrungen eines ungewöhnlichen Lebens zu Anstößen und Einladungen, sich selbst, als Leser und Leserin, auf den Weg mit Jesus und zu den von ihm bevorzugten armen Menschen einzulassen.

Kein konventioneller, abgestandener, bürgerlich abgesicherter Weg wird hier vorgestellt, sondern im Gegenteil einer, der immer wieder neu, lebendig und voller Überraschungen ist und gewiss auch aus dem gewohnten kirchlichen Rahmen fällt. Herwartz erzeugt keinen moralischen Druck und beansprucht nicht sein Leben als Maßstab für andere. Was seine Erzählungen vielmehr so wohltuend und einladend macht, ist der immer wieder durchscheinende Glaube an den Herrn, der als der Auferstandene den Weg des Menschen mitgeht und sich von ihm finden lässt. Exerzitien auf der Straße sind, so wird mit guten Gründen deutlich, eine privilegierte Zeit von – in der Regel – acht Tagen, ein „heiliger Ort“, um im je „persönlichen Dornbusch“ Gott zu begegnen.

 

Buchtipp „Auf nackten Sohlen“

Buchtipp

Von Hannes König SJ

Als von Dezember 1974 bis März 1975 in Rom die 32. Generalkongregation des Jesuitenordens stattfand, war sie geprägt von der Frage nach der Identität des Jesuiten. Dort fiel die Grundentscheidung, „dass die Teilnahme am Kampf für Glauben und Gerechtigkeit das ist, was den Jesuiten in unserer Zeit ausmacht“.
In diesem Zusammenhang ging der Orden im deutschen Sprachraum zwei Projekte an: Zum einen begann ein Team von vier Jesuiten die ignatianische Spiritualität unter dem genannten Aspekt zu studieren und neu zu vermitteln und fing auch an, Exerzitien im Alltag anzubieten. Zum anderen begannen drei Jesuiten in Berlin-Kreuzberg eine Kommunität in einer kleinen Wohnung und nahmen eine manuelle Arbeit auf.

So beschreibt Christian Herwartz selbst in diesem Band einen entscheidenden Moment in der Geschichte des Ordens und auch in seinem eigenen Leben als neugieriger und suchender Mensch und Ordensmann. In klarer und einfacher Sprache erzählt er knapp die ganze Geschichte seines Fragens nach dem Leben und nach Gott, und wie er dem, was den Orden ursprünglich ausmacht, auf die Spur kam.
Dass er mit ein paar Freunden mitten in unserer (gut)bürgerlichen Gesellschaft einen Weg an der Seite der Armen fand und ging, hat ihn zu einem Entdeckungsreisenden werden lassen. Viele haben inzwischen an seiner Reise teilgenommen, die im Sommer 1998 zu den ersten Exerzitien auf der Straße mit ein paar Jesuiten in Berlin geführt hat. In diesem Experiment sind die zwei oben genannten Projekte in der Person von Alex Lefrank SJ und Christian Herwartz SJ zusammengekommen.
Was sich in den nächsten acht Jahren daraus entwickelt hat, wird knapp und geradezu packend in der zweiten Hälfte des Bandes erzählt. Danke, Christian!

Christian Herwartz (2006) Auf nackten Sohlen. Exerzitien auf der Straße. Ignatianische Impulse, Band 18. Echter Verlag, Würzburg.