Sr. Franziska Passek war Fraziskanerin, Obdachlosenseelsorgerin in Köln, und eine Begleiterin von Straßenexerzitien. In der Nacht vom zweiten zum dritten August verstarb Sr. Franziska nach schwerer Krankheit.
Im April 2018 schrieb sie diesen bewegenden Abschiedsbrief.
Sonntag, 15. April 2018
Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte,
heute versuche ich mich per mail an so viele Menschen wie möglich zu wenden. Diese Mail schreibt eine Freundin von mir, da ich nicht mehr allein in der Lage dazu bin. Wie den meisten bekannt, wurden im Juni 2017 zu Pfingsten zwei bösartige Hirntumore festgestellt. Diese sind schon lange operiert, bestrahlt und Chemo therapiert. Seit Januar 2018 weiß ich, dass drei weitere inoperable Tumore gewachsen sind. Für diese gibt es keine Therapie mehr. Seit dem ich weitere Chemotherapie abgelehnt habe, habe ich für mich eine passable Lebensqualität gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar. Ostern konnte ich hier in Köln noch in vollen Zügen genießen. Zuerst haben wir die ganze Osterliturgie in der Obdachlosenseelsorge in „Gubbio“ mit den Freunden der Straße gefeiert. Dann bin ich noch einmal genüsslich durch die letzte Frühlingsmondnacht meines Lebens, durch das nächtliche Köln spaziert, zu meiner Wahlgemeinde hin. Dort konnte ich noch einmal die komplette Osterliturgie von 4 Stunden feiern. Das war wunderschön! Am Ostermontag bemerkte ich bei mir eine zunehmende Desorientiertheit, verursacht durch den Druck der Tumore auf bestimmte Hirnregionen. (zum Teil fand ich nicht einmal mehr mein Zimmer) Meine Hausärztin riet mir dringend mich in stationäre Pflege zu begeben. Darum werde ich nun in kommender Woche mein Kölner Domizil verlassen und in ein Pflegeheim unserer Ordensgemeinschaft in Drolshagen ziehen. Die aktuellen Medikamente werden meinen jetzigen Zustand noch eine Weile aufrechterhalten aber zukünftig muss ich Vorsorge tragen. Es gibt keine Besserung mehr. Da ich vielleicht irgendwann nicht einmal mehr weiß wer ich bin, möchte ich euch heute diesen Brief schreiben. […]
Nun ein paar Worte an Euch alle:
Ihr sollt wissen mir geht es gut. Dank eurer mich tragenden Gebete kann ich diese, mir von Gott gestellte Herausforderung ruhig und gelassen annehmen. Ich weiß ja wo ich hingehe (Ich meine damit nicht nur das Heim). Gott ist für mich das Ziel, darauf freue ich mich. Ich gehe euch nur etwas Voraus, wenn ihr dann später kommt halte ich euch die Tür auf (und verteile Smileys). Ich bin voller Dankbarkeit für 56 schöne, gut gefüllte Jahre. Natürlich hätte ich gern mit euch noch viele bunte Jahre verbracht, das Leben gestaltet und das eine oder andere Abenteuer mit euch bestritten. Aber nun kommt es anders, ich habe JA dazu gesagt und lerne nun täglich neu, dieses JA zu buchstabieren. Das Ja sagen ist gar nicht so schlimm, nur die täglichen Kämpfe mit meiner Krankheit fordern mich ganz. Jeder Tag und jede Stunde hält für mich ein neues „AHA“ Erlebnis bereit. Dabei bin ich froh, dass ich bis jetzt keinerlei Schmerzen habe. Die zwischenzeitlich durch die Chemo ausgelösten Depressionen sind total verschwunden. Es geht mir wirklich auch innerlich gut. Ich fühle mich ausgeglichen und gelassen und wirklich dankbar. Auch wenn es unwirklich klingt, so bin ich den ganzen Tag dankbar. Ich trage niemanden etwas nach und bin mit allen versöhnt und im Frieden. Dass mich Gott auf meinen persönlichen Lebensweg gerufen hat, war genau richtig für mich und hat mich erfüllt. Darüber bin ich so unendlich froh, auch wenn es nicht immer einfach war.
Ich würde mir wünschen, dass ihr mich auf meinen letzten Tagen oder Wochen weiter im Gebet mit tragt. Laut Ärztin kann sich mein Zustand manifestieren oder es kann einmal ganz schnell gehen. Für mich selber wünsche ich mir, dass ich zuversichtlich und in Frieden zu Gott gehen kann. Die ihr mich kennt, werdet verstehen, wenn ich sage, dass ich am liebsten singend und tanzend zu Gott gehen würde. Ich habe keine Angst vor dem Tod, seit einem halben Jahr konnte ich mich ja darauf vorbereiten. Gott hat seinen Plan. Ich bin gespannt. Also seid nicht traurig. Es wird alles so wie ER es will und es wird gut sein.
Franziska machte im Sommer 2003 ihre ersten Straßenexerzitien in Köln. Nach ihren Exerzitien schrieb sie dieses Gebet. In ihrem Bericht über die Exerzitien schreibt sie:
„In den unterschiedlichsten Begegnungen der Exerzitien habe ich es für mich als sehr schwer empfunden, vielen Menschen völlig ohnmächtig gegenüber stehen zu müssen, ohne irgendwie helfen zu können. Getragen hat mich in den Augenblicken der Ohnmacht, die Hoffnung und Zuversicht, dass der Gott, der sich im brennenden Dornbusch Mose als der „Ich bin da“ offenbart, auch hier in diesen Menschen und für diese Menschen da ist.“
2017 organisierte sie Straßenexerzitien in der Obdachlosenkirche Gubbio. Den Bericht findet ihr hier.