Aus der Impulsreihe für Begleiter*innen von Straßenexerzitien von Nadine Sylla, Josef Freise, Maria Jans-Wenstrup, Dorothee Steiof und Elisabeth Kämmerling
Wie im letzten Rundbrief erwähnt, ist die Gewaltfreie Kommunikation sowohl von Methoden und Techniken als auch von Haltungen geprägt, die auch für die Begleitung von Straßenexerzitien wichtig sind und die eingeübt werden können.
Die Methoden und Techniken gehen von folgenden Grundsätzen aus:
– immer bei der berichtenden Person bleiben: Wenn jemand von einer Situation berichtet, ist es verführerisch zu sagen: „Das kenne ich auch.“ Und dann wird schnell eine endlos lange Geschichte erzählt, die aber eine Vertiefung dessen verhindert, was der/die ursprünglich Berichtende zu erzählen begonnen hatte. Für Begleiter*innen ist es eine hohe Kunst, auf Gruppenteilnehmer*innen, die vergleichend und sehr ausführlich eigene Erfahrungen einbringen, wertschätzend zu reagieren und zugleich das Gespräch wieder auf die ursprünglich berichtende Person zurückzuführen.
– keine Wertungen vornehmen: Wenn eine Person berichtet, wie sie aus Wut einen Menschen beschimpft und „fertiggemacht“ hat, dann liegt eine Reaktion nahe wie: „Das geht aber nicht. Das darfst Du so nicht machen.“ Solche Bewertungen vermitteln der entsprechenden Person schnell, dass sie falsch ist. In jeder noch so problematischen Handlung eines Menschen steckt die Suche nach einem Leben in Fülle. Marshall Rosenberg schlägt vor, sich auf diese Suche im Gespräch zu machen. Dazu können Reaktionen helfen wie diese: Wie hast du dich dabei gefühlt? Was denkst du, ist in der Person vorgegangen, auf die Du so reagiert hast?
– nachfragen: Bewertungen kategorisieren, Nachfragen helfen, in die Tiefe zu kommen. Durch das Fragen erhält nicht nur der Fragende neue Erkenntnisse, auch die befragte Person kann sich selber so intensiver auf die Spur kommen.
– paraphrasieren: Die Paraphrase ist die Wiedergabe mit eigenen Worten – und mit dem eigenen Wertesystem. Es wird nicht einfach wiederholt, was die betreffende Person gesagt hat. Es wird auf die Gefühle und Bedürfnisse der Person abgehoben. Eventuell geäußerte Vorwürfe, Abwertungen und diskriminierende Äußerungen werden „überhört“ oder es wird kurz gesagt, dass sich diese Äußerung vielleicht jemanden verletzt fühlen könnte. „Aber jetzt geht es um Dich…“
– Pausen zulassen: Die gewaltfreie Kommunikation und auch die Gespräche in Straßenexerzitien sind nicht in erster Linie lösungs- und ergebnisorientiert. Es geht zunächst einmal um das Wahrnehmen und Annehmen der Realität so, wie sie ist, und dann um Veränderungen in der Tiefe der Person. Papst Franziskus hat bei den Plenarsitzungen auf der Jugendsynode und der Amazonassynode in Rom immer wieder auf Pausen gedrungen – im Schweigen und im Singen eines Liedes. Pausen reinigen die Luft; Gefühle können sich sortieren; ich kann in mich gehen und spüren, was mich gerade „getriggert“ hat. Dann muss ich mein Gegenüber nicht verantwortlich für meine Gefühle machen. Diese kontemplative Methode führt uns zu den Haltungen.
Haltungen: Marshall Rosenberg war von Carl Rogers und dessen personenzentrierten Gesprächsführung geprägt, die von den Grundhaltungen der Kongruenz (Echtheit, Unverfälschtheit), der Empathie (der nicht wertenden Einfühlung) und der bedingungslosen positiven Zuwendung ausgeht. Ein wichtiger Aspekt bei Rosenberg ist die Verbindung zwischen Selbstsorge und Dasein für mein Gegenüber. Wenn ich meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrgenommen und angenommen habe, kann ich besser von mir absehen und ganz beim Gegenüber sein. Sich selber annehmen und loslassen zu können – dazu helfen Achtsamkeitsübungen, Meditation, inneres Schweigen und das kontemplative Beten.