Kurse 2017

wie schön (Foto: K. Happe)

Es gibt einzelne Stunden zum „Schnuppern“, etwa auf dem Kirchentag in Berlin, oder mehrtägige Angebote für Einzelne und Paare an verschiedenen Orten in Deutschland, zum Beispiel in Flensburg, Hamburg, Ludwigshafen, Köln, Berlin. Die Angebote werden in den nächsten Monaten weiter ergänzt.

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Wer sich unsicher ist, ob Exerzitien auf der Straße etwas für ihn/sie ist: erst mal diesen Artikel lesen – und dann einfach Kontakt aufnehmen mit den Veranstaltern oder mit mail@strassenexerzitien.de.

Vielfältiges Material, Erfahrungen und Verweise auf Literatur finden sich unter Erfahrungen und Materialien.

Von der Straße zum Papst

Christian Herwartz war am 11. November 2016 zusammen mit 6000 Pilgern bei einer Papst-Audienz. Bei der Gelegenheit hat er Papst Franziskus die Bücher „Gott auf der Straße“ von Michael Johannes Schindler und „Im Alltag der Straße Gottes Spuren suchen“ übergeben. Ihr könnt das hier ansehen: Aufzeichnungen des Treffens, insbesondere Minute 3:15 bis 3:38 des Beitrags.

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Unser Nein Leben

Tag_1 (Foto: Kathrin Happe)

Unter diesem Titel ist – nach einer Podiumsdiskussion „Kampf und Kontemplation“ auf dem Katholikentag in Leipzig 2016 – im Sommer 2016 ein Artikel in Publik Forum EXTRA „Taizé heute – das kleine Gleichnis für eine versöhnte Welt“ erschienen. – Mein Entwurf hatte den Titel „Im Konflikt zwischen Tätern und Opfern“

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Sehnsucht nach Leben – Straßenexerzitien in Essen-Katernberg

In diesem Jahr ging ich mit einer großen Sehnsucht nach Leben in die Straßenexerzitien.

Von Elisabeth-Maria

Während der Woche in Essen-Katernberg, in der ich Gott, der das Leben ist, suchte, durfte ich das Leben in vielfältiger Form finden und bin dadurch reich beschenkt worden.

So durfte ich es z.B. finden:

Begegnung beim Einkaufen

In einer Begegnung mit einem Kurden, in dessen Geschäft wir mit zwei Teilnehmerinnen für unser Abendessen einkauften. Er erzählte uns u.a. wie dankbar er für das Kirchenasyl ist, das ihm vor ein paar Jahren gewährt worden war. Zum Schluss erzählte er, dass bei ihnen zu Hause die Gäste zum Essen eingeladen würden. So schenkte er uns als Geste für unsere ganze Gruppe einen Beutel Walnüsse. Auf diese Weise wurden wir von seinen Kunden zu seinen Gästen – und fühlten uns durch diese Begegnung reich beschenkt.

ER wartet am Förderturm

An einem der Fördertürme: morgens bei dem Morgenimpuls hatte uns eine Begleiterin von Mose erzählt: wie er gerettet worden war, wie er seinem Beruf nachging, wie er schuldig wurde als er jemanden umbrachte,… Nun begegnete er in einem brennenden Dornbusch JHWH, vor dem er mit seiner Geschichte so stehen durfte wie er war / ist. Bei dieser Erzählung stieg in mir auf, wo ich heute hingehen „sollte“ – wo ER auf mich wartete: am Förderturm im Zollverein Essen. Dort durfte ich dann später stehen wie ich bin – mit meiner Lebensgeschichte – und durfte zu ihr „Ja“ sagen; sie annehmen, wie sie ist. Und genau wie durch einen Förderturm Kohle aus der Erde herauf transportiert wird, die wertvoll ist und gebraucht wird, darf ich darauf vertrauen, dass auch aus mir und in mir Dinge, Eigenschaften,… sind, die zunächst unscheinbar sind, aber dann doch wertvoll sind, wenn sie ans Licht kommen.

Das Bild an einer Mauer

Durch ein Bild an einer Mauer in der Nähe des Erfahrungsfeldes – von Moni van Rheinberg: Aus dem Schnabel eines großen bunten Vogels kommen ganz viele unterschiedliche Figuren, von der keine der anderen gleich ist; jede ist ganz individuell. Alle Figuren fliegen. Am Ende dieses Bildes steht in großen Buchstaben: „ZAHME VÖGEL SINGEN VON FREIHEIT DIE WILDEN FLIEGEN“. Dieser Satz öffnete mich für weitere Erfahrungen mit dem Leben, das ich suche. Für mich steckt darin die Botschaft immer mehr zu einem „wilden Vogel“ zu werden; nicht nur „der Gezähmte“ zu sein, der von Freiheit, von Leben,… singt, Sehnsucht danach hat, sondern es auch zu leben.

Später fiel mir auf, dass der Anfang dazu schon im Urlaub vor den Exerzitien begonnen hatte: in diesem war es mir wichtig, einen fliegenden Fischreiher zu fotografieren; auch wenn ich nicht wusste, warum.

 

Foto: Elisabeth-Maria
Der Vogel (Foto: Elisabeth-Maria)

Im Alltag

Jetzt, im Alltag bleibt dieses Bild und ich versuche immer wieder neu „fliegen“ zu üben, d.h. mit meiner Sehnsucht nach Leben in Kontakt zu bleiben und das Leben in meinen Alltag hineinzubuchstabieren, es zu leben – mit IHM, der das Leben ist.

 

Herr, der Tag und was er bringen mag

Tag_1 (Foto: Kathrin Happe)

Herr, der Tag und was er bringen mag,
Sei mir aus deiner Hand gegeben.
Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Du bist der Weg, ich will ihn gehen.
Du bist die Wahrheit, ich will sie sehen.
Du bist das Leben, mag mich umwehen.

Von Michael Ertl

Mit diesen Worten beginnt ein Gebet, dass mir meine Eltern vor über 30 Jahren in die Bibel schrieben, die ich von ihnen zu meiner Firmung bekam. So hat es mich sehr berührt, als genau dieses Gebet von Regina, einer Teilnehmerin der Strassenexerzitien, während eines Gebetsimpulses am Morgen zitiert worden war. Hatte ich dieses Gebet in früheren Jahren oft am Morgen eines neuen Tages gebetet, so war es irgendwann in Vergessenheit geraten und erstand in diesem Augenblick erneut vor meinen inneren Augen. Wie eine Folie legen sich die Worte dieses Gebetes jetzt unter die Erfahrungen, die ich in den vorausgegangenen Tagen auf den Straßen Berlins machen durfte. Der Weg war in diesen Tagen zur Straße geworden, die Wahrheit widerspruchsvoll und das Leben forderte mich auf ungewohnte Weise heraus.

„Du bist der Weg, ich will ihn gehen.“

Die schönen Wald- und Wiesenwege der belgischen Eifel, in der ich lebe, waren zum harten Asphalt einer Großstadt geworden. Am Anfang dieser Exerzitientage stand ich auf dem Alexanderplatz, wo mich eine mit roten Buchstaben aufgeklebte Schrift dazu einlud, den „leeren Raum“ zu betreten. Das habe ich im Verlauf der Exerzitien auch versucht. Manchmal zaghaft und immer öfter auch ganz entschieden. Den „leeren Raum“ in mir auszuhalten und mich durch ihn öffnen zu lassen, für das, was Gott mir in diesen Tagen schenken wollte an Begegnungen und Erfahrungen. Den „leeren Raum“ abzuklopfen, nach der eigenen Sehnsucht aber auch nach meinen Ängsten.

„Du bist die Wahrheit, ich will sie sehen.“

Was wahr und falsch ist, das wusste ich doch längst – und wusste es auch nicht. Am dritten Tag der Exerzitien stand ich auf dem Gelände des ehemaligen Frauengefängnisses in der Barnimstraße und sah mich mit folgender Aussage konfrontiert. „Jeder Mensch ist widerspruchsvoll!“ Ich fühlte mich eingeladen, den Wiedersprüchen meines eigenen Lebens nachzuspüren. Aber auch den vielen „Wahrheiten“ offener und verborgener Not, wie sie mir in diesen Tagen auf der Straße begegneten. Oft waren es auch die Erlebnisse anderer, die mir im abendlichen Austausch zeigten, wie ergänzungsbedürftig all das war, was ich bisher für „Wahrheit“ gehalten habe

„Du bist das Leben, mag mich umwehen.“

Wie Leben aussehen kann und zu welcher fülle sie einlädt, das habe ich bisher oft aus der Perspektive derer gesehen, die aus einer „privilegierten Fülle“ heraus leben können. Das Leben, das mich auf dem Straßenstrich der Kurfürstenstraße erwartete war von einer anderen Fülle; einer, die mich mit Scham erfüllte. Prostituierte aus verschiedensten Ländern sprachen mich an und nannten mir ihre Preise. Sprachlosigkeit überkam mich und auch Trauer über das, was mich an diesem Ort an verkauften Leben „umwehte“.

Das Gebet aus meiner ersten Bibel, ich habe es wieder zu beten begonnen. Der Weg lässt mich jetzt an die Straßen Berlins denken, durch die ich in diesen Tagen der Exerzitien gegangen bin; die Wahrheit daran, dass sie so widerspruchsvoll ist wie vieles, was ich in diesen Tagen gesehen habe und das Leben an die vielen Gesichter, die mich in diesen Tagen umwehten.

Michael Ertl

Was haben mir 2016 die „Straßenexerzitien“ in Berlin gezeigt?

Lebe dein Leben (Foto:Kathrin Happe)

Von Lore Weber

Der Begriff „Exerzitien“ war für mich besetzt von dem Verständnis eines Erlebens der inneren Hinwendung zu Gott. In den Strassenexerzitien fand ich ein ganz anderes Verständnis: Jesus unter den Menschen und zwischen den Menschen zu erleben. Er, der von sich sagt, dass Er die Strasse ist – „ich bin der Weg…..“ (Joh. 14,6) – Ihm wollte ich in und bei den Menschen begegnen und Seine Sprache verstehen, wenn Er sagt: „kommt her zu mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid.“ (Mat 11,28). „Was haben mir 2016 die „Straßenexerzitien“ in Berlin gezeigt?“ weiterlesen

Der eigenen Sehnsucht folgen

Im Herzen jedes Menschen liegt seine ganz eigene Sehnsucht. Sie zu entdecken ist in jedem Leben ein großer Schritt nach vorne. Niemand hat sich diese Sehnsucht selbst gemacht. Sie ist ein persönliches Geschenk, das unser Handeln von innen her bestimmt. Diese persönliche Sehnsucht können wir nicht durch Gedankenspiele ergründen, aber wollen uns doch von ihr leiten lassen. Kein Fremder kann sie mir wie ein Geheimwort zuflüstern. Besonders ist die Sehnsucht für gläubige Menschen die persönliche Richtungsweisung Gottes im Leben. Wie kann ich ihr auf die Spur kommen?

Gute Erfahrungen habe ich am Anfang von Exerzitien damit gemacht, nach dem Ärger der TeilnehmerInnen zu fragen oder, wenn jemand keinen Ärger kennt, darum zu bitten, auf die Auslöser ihrer Trauer zu schauen. In beiden Fällen sind sie von einer Situation betrübt, die ihrer Lebenssehnsucht widerspricht. So kann mit der Frage offen angesprochen werden: Wie sollte die Situation sein, mit der Sie zufrieden wären?

Auf die erste wie auf die zweite Frage kann jeweils ein Bündel Antworten kommen. Gute Zuhörer und Zuhörerinnen helfen nach zentralen Schlüsselwörtern zu suchen, mit denen der Ärger oder die Traurigkeit und dann die Sehnsucht ausgedrückt wurden. Die Begleiterinnen und Begleiter spüren sofort, wenn die Übenden bei den vorgeschlagenen Schlüsselwörtern innerliche Widerstände spüren. Im nächsten Schritt werden sie aufgefordert, die vorläufigen Aussagen mitzunehmen und auf ihre Stimmigkeit zu prüfen.

Die eigene Sehnsucht führt oft mehrere Aspekte zusammen. So können pauschale Aussagen vermieden werden und die Übenden können auch später an der Feinabstimmung arbeiten.

Auch im Exerzitienbuch nutzt der Ignatius einen ähnlichen Einstieg in die Übungen. Er formuliert ihn in einem einfachen Ge- bet, was nicht jedem Übenden heute sofort möglich ist. Doch er ist noch einen Schritt weiter gegangen, der auch für uns sinnvoll ist. Versuchen wir einmal von der gefundenen Sehnsucht her nach dem Namen des Gottes zu fragen, der oder die uns unsere Sehnsucht mit auf den Weg gab.

Hagar ist in der Bibel die erste Person, deren persönlichen Namen Gott ausspricht (Gen 16,8). Mitten im heftigen Ärger mit Sarei floh Hagar – verzweifelt und hochschwanger – in die für sie besonders lebensbedrohliche Wüste. Dort spricht sie Gott an: „Du, der Du nach mir schaust.“ Die Frau Abrahams hatte sich sehr abweisend ihr gegenüber verhalten, die den Kinderlosen einen Nachkommen schenken sollte. Mit diesem Namen Gottes und mit einer Verheißung konnte sie sogar wieder an ihren alten Platz zurückkehren und einen vitalen Sohn gebären, der der Vater des arabischen Volkes werden sollte.

Auch Mose lebt mit einer herausfordernden Sehnsucht. Er sucht sein Volk. Mose wurde als kleines Kind inmitten einer Vernichtungsaktion des Pharaos von einer von dessen Töchtern gerettet. Mit 40 Jahren fand er dieses Volk bei harter Fronarbeit, durch die es klein gehalten werden sollte. Vor Wut erschlug Mose einen der Peiniger. Ihm gelang die Flucht in die Steppe. Dort heiratete er und hütete das Vieh seines Schwiegervaters. Seinen Sohn nannte er Gerschom, Gast in der Fremde. Doch mit 80 Jahren machte er sich nochmals auf die Suche und ging über die Steppe hinaus (Ex 3) und bekam von Gott den atemberaubenden Auftrag, sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien. Da fragte er ihn in seiner Not: „Wie heißt Du?“ Und er hörte: „Ich bin da und werde da sein. Das ist mein Name.“ Nun hatte er in ihm eine mitziehende Heimat gefunden.

Diese Heimat ist jedem Menschen mit dem eigenen persönlichen Namen verheißen, mit dem wir uns auf den Weg machen.

Eine junge Frau fand nach Ausgrenzungserfahrungen ihren Gottesnamen in den Straßenexerzitien: „Du, der (und später die) Du mich schön ansiehst.“ – Ich selber fand über meinen Wunsch nach Solidarität seinen Namen: „Du, der Du mit uns Menschen solidarisch bist“ – mitten in einer Gesellschaft, die so stark am Kapital orientiert und damit oft zutiefst unsolidarisch ist.

(zuerst erschienen in: Jesuiten 2016, 2)