Im Jahr 2018 war erneut eine Gruppe für Straßenexerzitien in der Obdachlosengemeinde „Gubbio“ in Köln zu Gast. Was sie hier erlebt haben, ist im folgenden Bericht von Patrick Jutz zu lesen
Dieses Jahr waren wir zehn Tage zu Straßenexerzitien in der Obdachlosengemeinde „Gubbio“ zu Gast – fünf Teilnehmer und zwei Begleiter. Durch die zwei Tage mehr als im vorigen Jahr konnten wir sehr gut ankommen, entschleunigen und dann ins Wahrnehmen kommen.
In der Bibel wird von einer ägyptischen Sklavin Hagar erzählt, die sich von Gott erhört fühlt und ihn daraufhin „Gott schaut auf mich“ nennt. Die Teilnehmer waren nach dem Hören dieser Geschichte aufgefordert ihren je eigenen Gottesnamen zu finden.
An einem anderen Tag hörten wir aus dem Lukasevangelium dass Jesus die Jünger aussandte. Jesus empfiehlt Ihnen Dinge wegzulassen, die uns hindern mit Menschen in Kontakt zu kommen, z.B. empfiehlt er das Gehen „ohne Geld, ohne Vorratstasche“. Wenn ich ohne Geld und Handy auf die Straße gehe, setze ich mich viel mehr dem Leben auf der Straße aus, so wie es Jesu Jünger auch taten.
Eine besondere Geschichte in Straßenexerzitien ist die Geschichte als Mose dem Herrn im brennenden Dornbusch begegnet. Es geschieht an einem besonderen Tag, als er mit seinen Tieren über die Steppe hinaus geht, was eigentlich sehr unprofessionell ist. Aber genau dadurch dass er es anders macht als normal, begegnet er Gott im Dornbusch, der brennt aber nicht verbrennt.
Dieses Dornbusch-Bild steht für die „Liebe“, die wir in der Welt geschenkt bekommen, sie brennt und verbrennt nicht. Wir können an diese Liebe erinnert werden an einem Heiligen Ort oder wir können Sie selbst erleben, in einem Heiligen Moment oder in der Begegnung mit einem Heiligen Menschen. Dies sind oft sehr kurze Momente, ein Lächeln oder eine unerwartete freundliche Geste. Ich kann aber auch das Heilige in mir selbst geschenkt bekommen, in meiner Geschichte und in meinen Beziehungen, meiner Familie, meinen Freunden. Regina hatte mit EGLI-Figuren diese Szene visuell vor dem Altar dargestellt während sie gelesen wurde. Wir kamen uns vor, als wenn wir direkt dabei gewesen wären.
Dankbar tauschten wir uns jeden Abend aus und erzählten uns von dem Erlebten. Es war beeindruckend wie offen und vertrauensvoll das Erzählen lief, obwohl sich die Teilnehmer größtenteils das erste Mal in Köln trafen. Zwischen dem Erzählen der einzelnen Teilnehmer sangen wir immer den Liedruf:
„Komm und erzähl uns, was Dich bewegt – Komm und bleibe, teil mit uns Deine Geschichte.
Komm und erzähl uns, wir hören Dir zu – Komm und bleibe, teil mit uns Deine Geschichte.“
Am Donnerstag wuschen wir uns gegenseitig die Füße, in Erinnerung an Jesus, der diesen Dienst seinen Jüngern tat. Eine Teilnehmerin spürte förmlich, dass Jesus ihr die Füße wusch. Es waren diese spontanen Zeugnisse, die unser Herz berührten und uns einander näher brachten. Am Ende der Woche war die Emmausgeschichte unser Impuls. Zwei Jünger gehen nach dem Tod von Jesus nach Emmaus und begegnen einem Fremden und erzählen ihm was geschehen war. Beim erzählen „brannte ihnen das Herz“ und erst im Rückblick erkennen Sie, dass dieser Fremde eigentlich Jesus war. Dies kann uns auch heute noch geschehen, dass Jesus zu uns durch den Kontakt mit einem Fremden spricht.
Wir kamen Dienstag und Mittwoch auch in Kontakt mit der Gubbio-Gemeinde und gaben unser Zeugnis in ihrem Gottesdienst am Samstag. Das Evangelium – die Emmausgeschichte – wurde von uns mit den verschiedenen Rollen des Textes vorgelesen, was von der Pfarrgemeinde als sehr inspirierend empfunden wurde. Es war oft zu spüren, dass den Menschen Schwester Franziska sehr fehlte, die ja erst im August nach langer schwerer Krankheit verstorben war. Auch wir vermissen Franziska und Ihre offene, zugewandte und sympathische Art sehr, ohne sie wären diese Gubbio-Straßenexerzitien nie entstanden.
Das Leben in Gubbio ist sehr einfach. Wir hatten keine Dusche, nur ein Waschbecken, obwohl für manchen Obdachlosen dies schon ein Luxus wäre. Wir schliefen in der Kirche mit unseren Isomatten und Schlafsäcken auf dem Boden. Die Obdachlosen, die dienstags und mittwochs im Hof von Gubbio zusammenkommen, kannten uns teilweise schon. Es hatte sich rumgesprochen, dass wir nach 2017 nun dieses Jahr das zweite Mal in ihrer Kirche zu Gast sind. In Gubbio können alle einfach da sein, miteinander Kaffee trinken und sich austauschen.
Am Mittwoch beim Bibelteilen saßen die Obdachlosen, neben denen die eine Wohnung haben und alle erzählten von dem, was die Bibelstelle in ihnen zum Klingen gebracht hatte. Br. Markus moderierte das Bibelteilen und es geschah in gegenseitigem Respekt und einer Haltung der Achtung. Die sozialen Unterschiede spielen in Gubbio keine Rolle und genau dies ist es, warum dieser Ort so geeignet für Straßenexerzitien ist – vor dem Herrn sind wir alle gleich. Wir hoffen, dass wir Straßenexerzitien auch wieder 2019 in Gubbio anbieten können.