Die Straßenexerzitien sind eine spirituelle Praxis mit großer Weite. Oft habe ich den Eindruck, bei den Exerzitien sind wir nicht ökumenisch, wir sind „postkonfessionell“: in unserer Praxis sind die konfessionellen Unterschiede eigentlich nicht mehr wichtig.
Die konfessionellen und religiösen Prägungen der Einzelnen – ob katholisch, evangelisch verschiedener Schattierung, freikirchlich oder altkatholisch, auch jüdisch – sie sind als jeweilige Herkunft der Einzelnen spürbar und bereichern das Miteinander, aber wir lassen sie bei den Exerzitien nicht zu trennenden Unterschieden werden. Unendlich viel bedeutender ist das, was uns eint: Die Erfahrungen auf der Straße.
Auf diesem Hintergrund freut mich aber dennoch, wenn zwischen den großen Kirchen Deutschlands in Sachen Ökumene etwas in Bewegung kommt. Das Reformationsgedenken 2017 bietet hier viele Anlässe.
Am Montag kam es zu einer weiteren Begegnung, diesmal in Rom: Eine Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland unter Leitung des Ratsvorsitzenden und bayerische Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm war zur Papstaudienz in Rom – und der Vorsitzende der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, nahm an dieser Audienz teil. Eine Premiere, wie Radio Vatikan bemerkt.
Bedford-Strohm kommt im Bericht von Radio Vatikan ausführlich zu Wort. Es lohnt sich, ihn einmal genauer anzuhören. Denn leidenschaftlich spricht der EKD-Ratsvorsitzende von dem Schmerz, den viele Christen verspüren, wenn die katholische Doktrin ihnen die volle Gemeinschaft beim Abendmahl verwehrt.
Und er wird sehr persönlich, weicht vom Manuskript ab, wenn er sagt: „Wenn ich diesen Tag erleben könnte, dass wir gemeinsam ohne Angst, ohne Protest, sondern aus tiefster innerster Klarheit dieses Mahl des Herrn gemeinsam feiern können, dann wir es einer der wichtigsten Tage meines Lebens werden, und ich werde bestimmt auch feuchte Augen bekommen.“ Es sei eine große Sehnsucht, dass wir das gemeinsam erreichen können, sagt der Landesbischof. (Hier seine Ansprache zum Nachlesen).
Die Botschaft kam anscheinend an beim Papst, denn Franziskus bemerkt, Bedford-Strohm sei ein „Mann mit Feuer im Herzen“. Und was Franziskus zu sagen hat, macht Mut: Franziskus spricht von der „Wirklichkeit der einen Taufe, die uns zu Brüdern und Schwestern macht“. Er bekräftigt die „unwiderrufliche Verpflichtung (…), gemeinsam das Evangelium zu bezeugen und auf dem Weg zur vollen Einheit voranzuschreiten.“
Franziskus spricht vom Wunsch „neue Wege einzuschlagen“. Er spricht vom „Schmerz“, der besonders von Eheleuten empfunden werde, die verschiedenen Konfessionen angehören – ein Echo des Schmerzes, vom dem auch EKD-Ratsvorsitzende sprach. (Wortlaut der Papstansprache zum Nachlesen).
Schön, wenn im Reformationsjahr zu solchen echten Begegnungen zwischen den Kirchenleitungen kommt. Wer weiss, vielleicht dürfen wir doch hoffen, dass der Heilige Geist im Reformationsjahr die „tote Christenheit“ aufweckt und aus ihrem konfessionellen Schlaf aufweckt.
Bei den Straßenexerzitien jedenfalls gehen wir voran und praktizieren ganz selbstverständlich und ohne allzuviel Aufhebens eine Einheit, nach der die Kirchenleitungen noch suchen.
Videoberichte: