Aus der Impulsreihe für Begleiter*innen von Straßenexerzitien von Nadine Sylla, Josef Freise, Maria Jans-Wenstrup, Dorothee Steif und Elisabeth Kämmerling
Fast drei Monate sind wir mit euch einen Weg durch verschiedene Aspekte und Anregungen unter der Überschrift VIELFALT gegangen. Jetzt zum Abschluss wollen wir noch mal ganz konkret darauf schauen, wie sich dieses Themenspektrum konkret in den Straßenexerzitien ausprägen könnte, vielleicht sollte.
Wir wollen das zunächst im Blick auf den Themenbereich Vielfalt und Diskriminierung tun, dann auf die Gefahr spiritueller Grenzüberschreitung schauen und schließlich nach hilfreichen Rahmenbedingun-gen und Regeln fragen. Das alles kann nur in Stichworten geschehen, die weiter zu entfalten und zu ergänzen wären.
Was hilft, in Straßenexerzitien sensibel und bewusst mit Vielfalt und Diskriminierung umzugehen?
Das Begleit-Team selbst: Wir machen uns schon in der Vorbereitung bewusst, welche Vielfalt (Geschlecht, Herkunft, Alter, sozialer Stand…) unsere eigene Zusammenstellung abbildet, bzw. nicht abbildet. Wo könnten Leerstellen sein?
Im Blick auf die Gruppe:Wir halten uns vor Augen, dass die Menschen in der Gruppe höchstwahrscheinlich viel diverser sind, als es auf den ersten (oder auch zweiten) Blick er-scheint. Daraus folgt z.B. eine Sprache, die gendersensibel ist, aber auch nicht-akademisch, um möglichst wenig auszuschließen.
In der Austauschrunde: Unsere Rolle als Gesprächsleiter*innen ist eine Gratwanderung. Einerseits ermöglichen wir Freiheit und Raum für jede*n, als er*sie selbst da zu sein und sich zu äußern. Andererseits sind wir Hüter*innen nicht-diskriminierenden Sprechens und Verhaltens.
Im Begleit-Team: Wir stärken uns in dem Mut, uns gegenseitig aufmerksam zu machen, wenn wir etwas Problematisches wahrnehmen.
Was hilft, in Straßenexerzitien sensibel und bewusst mit der Gefahr spiritueller Grenzüberschreitung umzugehen?
Macht in Straßenexerzitien: Es gibt keine machtfreien Räume. Macht darf auch bei den Straßenexerzitien kein Tabu sein. Vielmehr gehört es zu unserer Kultur, offen über die Wahrnehmung von Macht im Begleiter*innen-Team und in der Gruppe zu sprechen.
Macht und Bedürfnisse: Machtmissbrauch entsteht oft aus unbewussten nicht gestillten Bedürfnissen. Wir versuchen daher, unsere eigenen sowie mit den Teilnehmenden ihre Bedürfnisse zu erspüren und ins Wort zu bringen, damit diese möglichst wenig „aus dem Bauch heraus“ „ihr Unwesen treiben“ können.
Bei Grenzüberschreitungen: Wenn wir eine spirituelle Grenzüberschreitung wahrnehmen, sprechen wir das (möglichst in der Situation und ohne Schuldzuweisung) an. Bei einer Wiederholung haben wir den Mut zu einem klaren „Stopp!“
Ermutigung zum eigenen Weg: Wir machen uns bewusst, dass unser Dienst Begleitung auf dem je eigenen Weg der Teilnehmenden ist, und lassen uns dabei auch von eigenem „Fremdeln“ mit manchen Wegen nicht irritieren.
Welche Rahmenbedingungen/Regeln sind für einen machtkritischen und diversitätsbewussten Umgang hilfreich?
Leitfrage für die Planung: Welche Rahmenbedingungen sind uns wichtig, dass alle Teilnehmenden und Begleitenden in ihrer Unterschiedlichkeit gut da sein können, ihren eigenen Weg gehen und sich wohlfühlen können?
Vorbereitung: Vor Beginn von Straßenexerzitien treffen sich die Begleitenden nicht nur, um Organisation und Inhalt zu besprechen, sondern mit gleicher Wichtigkeit, um sich die Zusammensetzung des Teams bewusst zu machen und sich der Haltungen des Begleitens zu vergewissern.
Während der Exerzitien: Die Regel, dass alles außer der Austauschrunde freies Angebot an die Teilnehmenden ist, versuchen wir mit dem Herzen ehrlich einzuholen. Hilfreich könnte auch sein, regulär in der Mitte der Exerzitien das, was sich bis dahin eingespielt hat, noch mal zur Disposition zu stellen.