Hunger nach Glauben und Gerechtigkeit
Von Heinz-Jürgen Metzger
Wie kann ein Christ in einem Staat, in dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, seinen Glauben leben? In seinem Buch „Auf nackten Sohlen“ beschreibt Christian Herwartz sein Leben an der Seite von Arbeitern, Armen und Ausgestoßenen. Er zeigt einen Weg, den „auferstandenen Jesus in unserer Mitte zu entdecken – besonders in Hungrigen, Kranken, Obdachlosen und Gefangenen“.
Herwartz, 1943 geboren, arbeitete zunächst als Maschinenbauer auf einer Kieler Werft. Auch nach seinem Eintritt in den Jesuitenorden 1969 blieb er der Arbeitswelt verbunden. Lange Jahre lebte er als Arbeiterpriester in Frankreich und Deutschland. In Berlin war er an der Gründung einer kleinen Jesuitenkommunität beteiligt, in der er auch heute noch wohnt.
Getrieben vom „Hunger nach Glauben und Gerechtigkeit“ wird er zum Grenzgänger, zu jemandem, der immer wieder Grenzen überschreitet und die Begegnung mit Ausgegrenzten sucht. Stationen seines Weges schildert Herwartz kurz: 1989 – Hungerstreik von politischen Gefangenen in der BRD, 1993 – Räumung der Wagenburg in Berlin, seit 1995 Mahn- und Gebetswachen vor der Abschiebehaftanstalt für Flüchtlinge in Berlin-Köpenick.
„Der Hunger nach Gerechtigkeit ist ein Schmerz, mit dem wir unsere Umwelt neu sehen lernen. Wenn wir ihn nicht betäuben, öffnet er uns den Blick auf Menschen, die unter Ungerechtigkeit leiden. Deshalb preist Jesus den Hunger in der Bergpredigt und nennt die Menschen selig, die sich von ihm leiten lassen.“ schreibt Herwartz.
Um andere an dieser Öffnung hin zu den Ausgegrenzten Teil haben zu lassen, hat er „Exerzitien auf der Straße“ entwickelt. „Das Wort ‚Straße‘ weist auf die offenen, grenzenlosen Plätze im Leben hin, auf denen wir besondere, für unsere Leben entscheidende Begegnungsorte entdecken.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind eingeladen, die Begegnung mit Jesus in der Großstadt zu suchen. Wie einigen von ihnen Jesus begegnet ist, auch das schildert das Buch.
Die Stärke des Buches liegt darin, dass es konkret, immer auf Leben und Erleben bezogen ist. Dies macht es auch für mich als Buddhisten lesenswert. Mich hätte aber auch interessiert, wie das deutlich werdende Jesus-Bild in einem größeren theologischen Zusammenhang einzuordnen ist. Herwartz beschränkt sich darauf, seinen Weg und seine Arbeit in den Zusammenhang der Herausforderungen des Jesuitenordens zu stellen. Dessen Generalkongregation hatte 1974/75 entschieden, ‚dass die Teilnahme am Kampf für Glauben und Gerechtigkeit das ist, was den Jesuiten in unserer Zeit ausmacht‘.
„Auf nackten Sohlen“ ist ein Buch für alle die, die den Kampf für Glauben und Gerechtigkeit noch nicht verloren gegeben haben.
Heinz-Jürgen Metzger ist Zen-Mönch und leitet die BUDDHAWEG-SANGHA. Er arbeitet als Geschäftsführer der PEACEMAKER GEMEINSCHAFT DEUTSCHLAND
Eine Antwort auf „Buchbesprechung zu „Auf nackten Sohlen““