(Die in diesem Artikel porträtierte Schwester Miriam, Küchenschwester und Priorin im Kölner Karmel, half uns schon einige Male bei der Durchführung von Tagesexerzitien auf der Straße. Der Artikel steht im Magazin zum Kirchenjahr, Heft 1/2015. Hamburg: Andere Zeiten e. V, www.anderezeiten.de)
Vor 500 Jahren kam Teresa von Avila zur Welt. Bis heute berühren die Glaubenswahrheiten der Mystikerin und Kirchenlehrerin die Menschen.
Von Kirsten Westhuis
Es ist eine aufgewühlte Zeit: Als Teresa de Ahumada 1515 im spanischen Avila geboren wird, steckt die mittelalterliche Welt im Umbruch in die Neuzeit. Kolumbus hat das Tor zur Neuen Welt aufgestoßen, aus der Mitte Europas verbreiten sich die ersten reformatorischen Gedanken und im Laufe des Jahrhunderts wird sich die katholische Kirche in Spanien zu einem Bollwerk der Gegenreformation entwickeln. In den Wirren dieser politischen Zusammenhänge macht die Nonne Teresa de Jesus, so ihr Ordensname, eine Entdeckung, die alle christlichen Religionsfehden überdauern und auch noch fünfhundert Jahre später viele Suchende berühren wird: Gott wohnt im Menschen.
Denke daran, dass Gott zwischen den Töpfen
und Pfannen da ist und dass er in dir in inneren und äußeren Aufgaben zur Seite steht.
Um der spätmittelalterlichen Teresa von Avila heute näherzukommen, empfiehlt der Theologe Manfred Gerwing als besten Weg: »Lesen, lesen, lesen.« Als Mystikerin, Ordensgründerin, Heilige, erste Kirchenlehrerin, Schriftstellerin ist schon viel geschrieben worden. Für die Spanier ist sie die Nationalheilige, für Schachspieler die Schutzpatronin. Direkt zum Kern ihres Denkens und Glaubens führen aber ihre eigenen Schriften: La Vida ist ihre Lebensbeschreibung, im Camino zeigt sie Wege zur Vollkommenheit für ihre Mitschwestern auf und gibt Tipps für das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Als Klassiker der mystischen Literatur gilt ihre Gebetsanleitung Die innere Burg.
Suche Gott und du wirst ihn finden
»Ich mag Teresa«, sagt Mirjam Kiechle. Die 60-Jährige ist vor 38 Jahren in den Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen in Köln eingetreten. Immer wieder liest sie in den Schriften ihrer Ordensgründerin. »Ich wollte ein Leben leben, das allein Gott gewidmet ist«, sagt sie. Genau wie Teresa. Das Leben im Karmel wirkt auf viele Menschen außerordentlich streng. Es gibt lange Zeiten des Schweigens, viele Gebete, zwei Stunden Meditation täglich. Die Schwestern gehen keinen weltlichen Berufen nach, arbeiten nicht als Lehrerinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern, wie es in anderen Orden häufig der Fall ist. »Tag und Nacht im Gesetz des Herrn betrachten und im Gebet wachen«, lautet ein Kernsatz der Karmelitinnen. Diese kontemplative Ausrichtung des Karmels geht direkt auf Teresa von Avila zurück. Sie hatte zu ihrer Zeit den Orden reformiert und ihn zurück zu den alten, ursprünglichen Regeln geführt. Doch bevor sie die Reformen umsetzte und neue Klöster gründete, vergingen viele Jahre.
Teresa ist Ende 30. Immer noch ist sie auf der Suche nach Gott. Oft ist sie krank. Ihre innere Unruhe will nicht weichen. Gott scheint so weit weg. Die strengen, formalen Gebete bringen sie nicht voran. Aber sie sucht weiter und macht schließlich ihre entscheidende Erfahrung: »Gott ist in mir.« Diese Erkenntnis ändert alles. Sie öffnet Teresa das Tor nach innen, zu ihrer Seele, zum inneren Gebet und zum Leben in Einheit mit Gott. »Ich muss nicht weit gehen. Ich muss auch nicht in die Kirche gehen, um Gott zu suchen«, erklärt Mirjam Kiechle: »Gott ist in mir.« Das ruft sich die Ordensschwester immer wieder ins Bewusstsein.
Nichts soll dich verwirren, nichts dich erschrecken.
Alles vergeht, Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erlangt alles.
Wer Gott hat, dem fehlt nichts.
Gott allein genügt.
»Das muss ich nicht fühlen – ich habe nicht ständig fromme Gefühle. Aber das ist eine Glaubenswahrheit, darauf darf ich vertrauen«, sagt sie. Der nahe, liebende Gott eröffnete Teresa eine ganz andere Art des Betens, die im 16. Jahrhundert für Frauen nicht vorgesehen war.
Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.
»Das Gebet ist meiner Ansicht nach nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil er uns liebt.« Dieser Satz stammt von Teresa. »Und da bin ich ganz bei ihr«, sagt Schwester Mirjam. »Dieses Beten ist es, das mir gefällt.«
Freundschaft mit Gott, damit könne jeder anfangen: eine Kerze anzünden, kurz innehalten, sich bewusst machen, dass Gott gegenwärtig ist, anfangen zu reden. »Und dann auch mal den Mund halten und hören, was Gott zu sagen hat«, sagt die Karmelitin aus Köln. »Immer im Mittelpunkt stehen müssen, das geht nicht. Nicht im Gebet und auch nicht im Leben.« Teresa drückte es drastischer aus: »Die Welt steht in Flammen. Jetzt ist nicht die Zeit, mit Gott über geringfügige Dinge zu verhandeln.«
Wie selten sind doch die Menschen, die das, was sie tun, ganz tun.
Vom Selfie, vom Ego-Trip, herunterkommen – so könnte die zeitgenössische Übersetzung lauten. Aber um das zu schaffen, ist zunächst Selbsterkenntnis nötig. In einer Zeit der Beschleunigung und Entfremdung, wie Soziologen unsere Gegenwart beschreiben, wird es zunehmend schwieriger, die eigene Identität zu finden. »In dieser Beliebigkeit schafft es Teresa, die Menschen mit sich selbst zu konfrontieren «, meint der Theologe Manfred Gerwing von der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie sei eine hervorragende Lehrerin: »Sie weist den Weg, wie ich zu mir selbst zurückfinde.« Die ungeheure Anziehungskraft, die Teresa von Avila auch nach fünf Jahrhunderten auf viele Menschen ausübt, sieht Manfred Gerwing in ihrer Klarheit begründet: »Teresa ist fordernd. Sie ist kein Softie, sondern sie sagt: ›Wenn du hörst, musst du auch handeln.‹«
Gott und ich, wir zusammen sind die Mehrheit.
Kontemplation und Aktion lautet die Kurzformel. Und ihre Wirkung ist enorm: Am Ende ihres Lebens hat Teresa den Karmel reformiert, 17 neue Klöster gegründet, zahlreiche Werke geschrieben, das mittelalterliche Frauenbild verändert. »Sie war nicht nur die fromme Nonne «, sagt Mirjam Kiechle. Praktisch, handfest, lebensnah – auch dafür sei Teresa bekannt.
Als sie 1582 in Avila stirbt, wüten die Machtkämpfe zwischen den Konfessionen. Nach ihrem Tod wird Teresa als Heilige und Kirchenlehrerin in der katholischen Kirche eine herausgehobene Rolle einnehmen. Aber ihre grundlegenden Gedanken überwinden Grenzen, meint Schwester Mirjam: »Teresa führt uns nach innen. Und was das Innerste ausmacht, ist unabhängig von der Konfession.«