Gott ist immer eine gute Überraschung
Exerzitien heißt üben. Üben, zu sehen und zu hören, nach außen und nach innen und die Konsequenzen für das eigene Leben wahr zu nehmen. Bei Exerzitien auf der Straße wird eine besondere Achtsamkeit dem Ort entgegengebracht, an dem der/die Einzelne innerlich bewegt wird.
Seine Sehnsucht hatte Mose von innen heraus über die Steppe – mit Futter und Wasser für die Tiere – hinaus in die Wüste geführt. Dort sah er einen Dornbusch, in dem er Gott im Feuer (der Liebe) begegnete, das brennt und nicht verbrennt. Diese Geschichte im 2. Buch Mose/Exodus Kapitel 3 wurde zum Leitbild dieser Exerzitien.
Auch die verdrängten, die als unangenehm oder schwach empfundenen Seiten in uns und in der Gesellschaft wollen wir nicht übersehen, wenn es dran ist. Hier liegt oft die Chance für eine größere Weite im Leben der/des Einzelnen und von Gemeinschaften. Gott kann auf den Einzelnen mit seinem Ruf an ganz unterschiedlichen Orten warten – unter Drogenabhängigen, im Arbeitsamt oder in einer Moschee, an einem Denkmal, an einem Flussufer oder anderswo – um uns neu weiter ins Leben zu rufen.
Vielleicht habe ich mit dem Wort Gott auch Mühe und Religion ist mir suspekt. Auch dann habe ich das Recht, nach der Wirklichkeit zu suchen, die mich aufatmen, in der Freude gründen und neu sehen lässt. Welchen Namen gebe ich dem, was mich und die Welt im Innersten zusammenhält?
Einfache Quartiere und viel unverplante Zeit erleichtern es, sich betend auf den Weg zu machen, Orte der persönlichen Gottesbegegnung zu finden, dort zu verbleiben oder wieder hin zu gehen. Abends kommen die Übenden zurück in die einfache „Pilger-Herberge“ und erzählen nach einem gemeinsamen, selbst zubereiteten Essen und Gottesdienst von ihren Wegen, ihrem Suchen, ihrem Stehenbleiben, ihrem langsamen Nähern an die Orte, die sie persönlich als wichtig, als aufwühlend, als ihnen heilig erfahren haben. Und auch von den entdeckten Schwierigkeiten, den Ängsten, den Dornbüschen in ihrem Leben erzählen sie. Dabei werden sie aufmerksam begleitet, um selbst deutlicher zu erkennen, wohin sie geführt werden.
Die Exerzitien sind keine Sozialpraktika; sondern ein Loslassen in die Zeit und die Anwesenheit Gottes hinein, die er uns schenken will. Zehn Tage dauern die Kurse, die in der Tradition der Exerzitien (exerzieren = üben) stehen, für die Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert einen wichtigen Impuls gab. Aber auch kürzere Formen (2 Stunden, einige Tage) sind möglich. Bei maximal 10 Teilnehmenden werden zur Begleitung zwei Kleingruppen gemacht, welche von jeweils einer Frau und einem Mann begleitet werden.
Einen tieferen Einblick in Exerzitien auf der Straße gibt ein Aufsatz von Maria Jans-Wenstrup und Klaus Kleffner: „Geistliche Erfahrung durch fremde Orte“.
Ein erster Einblick mag auch dieser Ausschnitt aus einem ZDF-Bericht über den Katholikentag in Regensburg bieten (6:15 Minuten):