Bundeskanzler Friedrich Merz hat vor einigen Tagen bei einer Pressekonferenz in Potsdam die Erfolge seiner Politik in der Bekämpfung irregulärer Migration angepriesen. Merz fügte dann an:
„Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Welches Problem im Stadtbild durch Rückführungen in sehr großem Umfang bewältigt werden sollte, ließen seine Äußerungen offen.
Bei Exerzitien auf der Straße suchen wir Gott auf den Straßen der Stadt. Wir machen dort immer wieder die Erfahrung, dass er uns nicht in den Kathedralen, Domen und Stadtkirchen begegnet, die das Stadtbild prägen, sondern vor Bahnhöfen, auf den Plätzen, an Straßenecken, in den Grünanlagen, unter Brücken.
Er begegnet uns nicht in Gestalt von Bischöfen und Priestern, von wohlsituierten Bürger*innen weißer Hautfarbe, sondern in Gestalt illegaler Migrant*innen, Obdachlosen, Alkohol- und Drogenabhängigen, Bettler*innen, Bürgergeld-Empfänger*innen. Menschen, die vielleicht für Kanzler Merz als ein Problem für das Stadtbild gelten.
Der Künstler Timothy Schmalz hat diese Erfahrung auch gemacht und in seiner Skulptur „Homeless Jesus“ dargestellt. Sie zeigt eine obdachlose Person, die in eine Decke gehüllt auf einer Parkbank schläft. Nur beim näheren Hinsehen erkennt man die Wundmale Jesu auf seinen Füßen.

Das Original schuf Timothy Schmalz 2012/13. Heute gibt es weltweit über 100 Abgüsse. Sie befinden sich unter anderem in Kapernaum, Rom, Dublin, Toronto, New York, Singapur, Sydney und Seoul. München ist der erste deutsche Standort der Skulptur.
Timothy Schmalz erzählt über die Entstehungsgeschichte der Skulptur:
„Die Inspiration für dieses Werk erhielt ich in Toronto, als ich einen Obdachlosen sah, der ähnlich wie die Skulptur verhüllt war. Ich kehrte in mein Atelier zurück und formte diese Erfahrung in der Hoffnung, dass sie andere dazu ermutigen möge, Jesus in den Ausgegrenzten zu sehen, so wie ich es tat.“
Die Erkenntnis Gottes in den Ausgegrenzten hat ihren biblischen Ursprung unter anderem in Matthäus 25, 31-46. Dort ist uns die Rede Jesu vom Weltgericht überliefert:
„Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.“
Jesus zählt Menschen auf, die Kanzler Merz im Stadtbild wohl als Problemfälle identifizieren würde, und identifiziert sich mit ihnen. Wirklich „in großem Umfang abschieben“?
Christian Herwartz, der die Straßenexerzitien in ihren Gründungsjahren stark geprägt hat, hat über 20 Jahre vor Abschiebegefängnissen demonstriert. Er ist für das Recht vor einem Abschiebegefängnis zu protestieren sogar bis vor den Bundesgerichtshof gezogen – und gewann.
