Unser Nein Leben

Tag_1 (Foto: Kathrin Happe)

Unter diesem Titel ist – nach einer Podiumsdiskussion „Kampf und Kontemplation“ auf dem Katholikentag in Leipzig 2016 – im Sommer 2016 ein Artikel in Publik Forum EXTRA „Taizé heute – das kleine Gleichnis für eine versöhnte Welt“ erschienen. – Mein Entwurf hatte den Titel „Im Konflikt zwischen Tätern und Opfern“

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Rückführungen – Ausweisungen

Alte rassistische Erinnerungen aus der dunkelsten Zeit unseres Volkes werden bei den Rückführungen in scheinbar „sichere Herkunftsländer“ wach, hier die Ausrottung der Zigeuner/Roma. Oft zu unserm direkten Nachteil:

Liebe Freunde, 
ich schreibe euch, weil die Ausreise einer wunderbaren Roma-Familie, die ich hier kennen lernen durfte, nun unmittelbar bevorsteht. Alle Versuche, ihnen eine Chance in unserem Land zu geben, sind gescheitert. Der Antrag beim Petitionsausschuss des Landes Rheinland-Pfalz wurde abgelehnt, obwohl 2 Monate zuvor ein identischer "Fall" aus Speicher noch positiv beschieden wurde. In der jetzigen Situation gibt es für Menschen vom Balkan bei uns keinen Platz mehr, da können sie noch so gut integriert sein und Deutsch sprechen wie diese Familie (die älteste Tochter, 10 Jahre alt, 4.Grundschulklasse, spricht 4 Sprachen und kann nach Aussage ihrer Lehrerin besser Deutsch als manche deutschen Kinder). Der Mann hat ein Arbeitsplatz- und zwei Ausbildungsplatzangebote und leistet bis zum heutigen Tag regelmäßig freiwillige gemeinnützige Arbeit für die VG Prüm. Er würde sehr gerne in unserem ländlichen Raum bleiben und damit den viel beschworenen Nachwuchs sichern helfen, stattdessen wird er jetzt vor dem Winter mit 3 Kindern auf die Straße gesetzt.

90 000 Einwohner hat unser Eifelkreis, bis Ende des Jahres werden wir 1200 Flüchtlinge aufnehmen, da ist für diese Familie, für die sich so viele eingesetzt haben und die in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen, kein Platz mehr. Das ist Herbergssuche 2015! Die Familie hat mittlerweile unterschrieben, dass sie nach Ablehnung all ihrer Anträge unser Land freiwillig verlassen wird und wir mussten in der letzten Woche bei der Kreisverwaltung darum betteln, dass sie in ein Balkanland ihrer Wahl ausreisen dürfen - nämlich dahin, wo sie wenigstens noch entfernte Verwandte besitzen. Noch ist nicht klar, ob das gestattet wird, obwohl sie bis auf eins der Kinder gültige Pässe für dieses Land ihrer Wahl besitzen. Der Kinderpass müsste nur noch verlängert werden. Wie Verbrecher sollen sie außer Landes gebracht werden und dürfen nicht einmal mit einem Onkel reisen, der sie abholen würde. Das alles nur mit dem, was sie tragen können: Aminas Frisierpuppe und Ramadans kleiner Tischkicker werden hierbleiben müssen, ebenso Bettwäsche und Decken und die wenigen Dinge, die sie hier für den Haushalt angeschafft haben. Aus diesem Grund bemühen wir uns, ihnen einen halbwegs anständigen Abschied zu bereiten, neben unserer Freundschaft möchten wir ihnen etwas mitgeben, was sich gut transportieren lässt - nämlich Geld: Deshalb bitte ich um eine Spende auf folgendes Spendenkonto, das auf meinen Namen unter dem Stichwort "Samet" bei der Raiba Westeifel angelegt ist: IBAN: DE 26586619010225021708 BIC: GENODED1WSC.

Bitte habt Verständnis dafür, dass ich in diesem Zusammenhang auf diesem Wege alle Menschen anbettele, die sich in meinem Adressbuch befinden - auch die, die ich lange nicht gesehen habe und denen die Familie unbekannt ist. 

Beste Grüße und eine schöne Vorweihnachtszeit Martina Fröhlinger  

PS: Es gibt einen anonymen Spender, der jeden eingehenden Beitrag ab 10 Euro verdoppelt - es lohnt sich also!

 

 

Kirchenasyl: Die lebendigste Basisbewegung

Meine Straßenexerzitien haben mich – zufällig – zum Ausländeramt geführt. Menschen, klassifiziert nach Herkunft und Aufenthaltsstatus, wartend in den Korridoren.

Manche Menschen tauchen auf auf den Ämter und der Straße nicht auf – weil sie dort Gefahr laufen, aufgegriffen und abgeschoben zu werden. Wie die Flüchtlinge, die im Kirchenasyl Schutz gesucht haben.

Aktuell lodert dazu eine Debatte auf. Innenminister de Maiziere, Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags, hat die Kirchen scharf angegriffen. Bei einem Treffen mit katholischen Bischöfen sagte er „er lehne Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab“.

Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, hat dazu einen sehr guten Kommentar (LINK) geschrieben in dem es u.a. heisst:

Eigentlich sollten dem Gesetz nach auch hier „Härtefälle“ berücksichtigt werden. In der Praxis ist das nicht so. „Die Durchführung der gesetzlich vorgesehenen humanitären Einzelfallprüfung durch das Bundesamt ist nicht erkennbar“, sagt Stephan Theo Reichel, der im Auftrag der evangelisch-lutherischen Landeskirche seit 1. Oktober 2014 die Kirchenasyle in Bayern hauptamtlich koordiniert. „Vorgelegte Gutachten und Eingaben werden ignoriert, mit allen Mitteln werden Abschiebungen juristisch durchgesetzt.“ Er klagt über Abschiebungen „ohne Prüfung und Rücksichtnahme“ – „nach Bulgarien und Ungarn ins Gefängnis oder nach Italien auf die Straße“.
Das wollen immer mehr Kirchengemeinden verhindern: Sie wollen den Flüchtlingen geben, was der Staat des Grundgesetzes ihnen verweigert – Schutz und Hilfe in bedrohlicher Situation. „Die Hilfe für Flüchtlinge ist als Anliegen tief in vielen unserer Gemeinden verwurzelt. Und das ist auch gut so“, sagte Heinrich Bedford-Strohm der Süddeutschen Zeitung. Und: „Das Kirchenasyl bedroht weder das Recht noch taugt es zu einer Grundsatzdebatte.“
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sagte der SZ, dass er den Kirchengemeinden dankbar sei, „die sich um die Not von Flüchtlingen kümmern“. Die Gemeinden gingen in aller Regel sehr sorgfältig mit dem Kirchenasyl um. Und die Praxis der zurückliegenden Jahrzehnte zeige, „dass während eines solchen Kirchenasyls fast immer eine bessere und rechtsstaatlich einwandfreie Lösung gefunden werden kann“.

Und weiter heisst es da:

Die Kirchenasyl-Bewegung ist die lebendigste Basisbewegung, die es derzeit in den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland gibt. Seit 31 Jahren gibt es ein Kirchenasyl in Deutschland, vor 21 Jahren wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ von evangelischen und katholischen Christen gegründet.
In kaum einer anderen Frage sind Kirchengemeinden so engagiert, in keiner anderen Frage funktioniert Ökumene, die Zusammenarbeit zwischen evangelischen und katholischen Pfarreien so gut. Kirchenasyl ist für sie die Übersetzung des Evangeliums in die Gegenwart. Da steht im Matthäus-Evangelium das Jesus-Wort: „Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt. Ich war verfolgt, und ihr habt mir Schutz gewährt“. Und: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.

 

Heribert Prantl
Heribert Prantl