Die Ikone von den Emmausjüngern von Br. Ansgar Klaus (Kloster Nütscha in Travensbrück) unterstreicht den letzten Impuls in den Exerzitien auf der Straße.
Respektvolles Hören und Sehen
Die Ikone von den Emmausjüngern von Br. Ansgar Klaus (Kloster Nütscha in Travensbrück) unterstreicht den letzten Impuls in den Exerzitien auf der Straße.
Zur Zeit laufen die Exerzitien im Alltag in der Fasten- und Passionszeit 2014
in St. Michael Berlin-Kreuzberg Die Impulse an den 6 Abenden wollen wir hier veröffentlichen. Sie werden von uns abwechselnd geschrieben und mit einem Bild aus den diesjährigen Misereor-Kreuzwegen den TeilnehmerInnen mit in die Woche gegeben.
Jutta Becker, Reinhard Herbolte, Christian Herwartz
6. Impuls
„Ich bin da“ ist die Zusage Gottes an uns alle. Er kann mit seinem Ruf an ganz unterschiedlichen Orten auf uns warten – unter den Armen und Ausgegrenzten, in einer Kirche, aber auch in einer Moschee, an einem Denkmal, in der Natur oder in uns selbst. Um ihn zu hören, braucht es Aufmerksamkeit und Offenheit.
„Einladung: Exerzitien auf der Straße in Luxemburg“ weiterlesen
Christian Herwartz (2011)
Vielleicht fragst du dich: Die Schuhe ausziehen – warum denn das? Und was hat das mit meinem Glauben zu tun? Gewöhnlich zieht man ja seine Schuhe aus, wenn man nach Hause kommt oder ins Bett gehen will. Und macht sich meist keine weiteren Gedanken darüber. Aber ich kann dem „Vorgang“ des Schuheausziehens auch mal ein wenig mehr Beachtung schenken und sie als ein Bild mit einer tieferen Bedeutung betrachten.
Bei den Jesuiten, zu denen ich gehöre, gibt es eine Gruppe von Ordensleuten, die regelmäßig Kurse anbietet, in denen es ums „Schuheausziehen“ geht. Das heißt, im Kern geht es darum, seine Umwelt intensiver und bewusster wahrzunehmen. Die Schuhe sind ein Symbol. Sie stehen für meine eigenen Vorurteile, Ängste, Zweifel und falschen Wahrnehmungen. Wenn ich sie „ausziehe“, dann bekomme ich Bodenkontakt mit der Realität – und kann das, was um mich herum geschieht, plötzlich aus einem ganz neuen Blickwinkel betrachten. Um das in der Praxis – im Rahmen eines Kurses auszuprobieren – wohnen die Teilnehmer in einer Notunterkunft für Obdachlose mitten in Berlin-Kreuzberg, die im Sommer leersteht. Tagsüber laufen sie durch die Stadt und bleiben an Orten stehen, wo sie innerlich bewegt werden. Dort ziehen sie dann – zumindest gedanklich – ihre Schuhe aus und üben sich darin, die Welt um sich herum aufmerksamer wahrzunehmen.
Ein junger Mann ging beispielsweise auf einen Platz, an dem sich regelmäßig Ausländer trafen, die eine Arbeit suchten. Unfallversicherung und Steuern sollten nicht gezahlt werden; alles musste im Verborgenen geschehen. An diesen zwielichtigen Ort wagte sich der Mann also und zog sich schon am Rand des Platzes seine Schuhe aus. Dann gesellte er sich unbehelligt zu der Gruppe der Arbeit(er)suchenden. Er wollte das, was um ihn herum passierte, aus einem neuen Blickwinkel sehen – die unverblümte Wirklichkeit – und die Welt nicht durch die Brille seiner Vorurteile betrachten. Er wollte die Menschen aus der Perspektive Jesu sehen lernen, nach einem Ort suchen, wo ihm der Auferstandene begegnen konnte – mitten im Großstadttrubel. Voll Freude kehrte er abends nach Hause zurück. Er hatte an diesem Tag fünf Mal staunend seine Schuhe und vor allem seine Vorurteile ausgezogen.
Eine Frau stoppte beim Gang durch die Stadt an einen Drogenumschlagplatz in der Nähe einer U-Bahnstation. Sie mied diesen Ort sonst, besonders wegen des Lärmes, der dort herrschte. An einem „Tag der Besinnung“ jedoch ging sie ganz bewusst zu diesem Junkie-Treffpunkt und nahm die Menschen, die ihr so fremd waren, in den Blick. Sie zog die „Schuhe ihres Herzens“ – ihren Hochmut, ihre Verurteilungen aus. Staunend blieb sie in Sichtweite zu der Gruppe stehen. Als sie beobachtete, wie diese Leute miteinander umgingen, tat ihr das in der Seele weh. Aber sie sah auch ganz zärtliche Szenen: wie Menschen achtsam mit denen umgingen, die in ihrem Rausch die Orientierung verloren hatten. Fast unbemerkt hatte sie ihre Schuhe ausgezogen. Sie hatte mit den Füßen „sehen“ und „fühlen“ gelernt.
Die Schuhe ausziehen – das ist also ein Bild für die Bereitschaft, aufmerksam und mit Respekt die Menschen seiner Umgebung wahrzunehmen.
Auch in der Bibel ist an einer Stelle vom Schuheausziehen die Rede. „Zieh die Schuhe aus!“, sagte Gott zu Mose, als dieser sich mitten in der Wüste neugierig einem brennenden Dornbusch näherte, dessen Zweige nicht verbrannten (siehe 2. Mose 3,5). Mose sollte seine Schuhe ausziehen, weil er auf heiligem Boden stand. Und dann sah er etwas, was er gerade eben noch nicht wahrgenommen hatte: Mitten in den Dornen des Lebens erkannte er die Liebe Gottes, die den Menschen erwärmt, aber ihn nicht verbrennt. Mose wurde bewusst: Sein Volk litt große Not und wartete intuitiv auf seine Befreiung. Und Gott wollte ihn – als 80-Jährigen – dafür in seinen Dienst nehmen.
Gehst du auch manchmal bestimmten Leuten aus dem Weg? Ich will dich ermutigen: Nähere dich ihnen einmal und sei gespannt darauf, was du entdecken wirst … Wage es, die hochhackigen Schuhe, in denen man so leicht auf andere herabsehen kann, auszuziehen. Oder die Turnschuhe, mit denen man so schnell die Flucht vor einer bestimmten Situation ergreifen kann. Oder die bunten Schuhe der Eitelkeit. Natürlich kann keiner das Ergebnis voraussehen. Doch wenn wir uns mit Gott an der Seite auf dieses Abenteuer einlassen – und zu den Menschen gehen, die unbeachtet oder sogar an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, dann bekommt das Leben eine neue Kraft.
Weitere Anregungen dafür, mitten in der Stadt auf andere aufmerksam zu werden und bewusst wahrzunehmen, was um uns herum geschieht, findest du unter www.strassenexerzitien.de und in dem kleinen Buch „Auf nackten Sohlen – Exerzitien auf der Straße„, das im Echterverlag erschienen ist.
Aus: Verena Keil / Nicole Schol. Pimp your Faith. 77 Ideen, die deinen Glauben nach vorn bringen. Taschenbuch, 240 Seiten Gerth Medien http://www.gerth.de/index.php?id=201&sku=816592
30. April – 04. Mai 2014 in Berlin
„Exerzitien für Frauen liebende Frauen in Berlin“ weiterlesen
Seit heute steht ein kleiner Film über die Exerzitien auf der Straße auf der Webseite.
Herzlichen Dank an das Filmteam der Steyler Patres, die eine Vorbereitungswoche der Missionarinnen auf Zeit in der Karwoche in Berlin-Kreuzberg festgehalten haben.
Die Gruppe Ordensleute gegen Ausgrenzung lädt seit über 20 Jahre zu Mahn- und Gebetswachen vor der Abschiebehaft in Berlin-Köpenick ein.
Karfreitag 18.4.14 um 15 Uhr ist es wieder so weit. Wir erwarten eine Ausreisegruppe von jungen Menschen, die als Missionarinnen auf Zeit (MAZ), die sich also auf ein Jahr hinter der Mauer, die um Europa aufgebaut ist, vorbereiten und die wir an der Gefängnismauer berühren können, denn die Gefangenen hinter ihr sollen aus Europa geflogen werden. Sie zu besuchen ist die erste reale Ausreiseübung.
Herzliche Einladung mit ihnen vor dieser Mauer zu stehen in Solidarität mit den Gefangenen, denen ohne eine Straftat die Freiheit, die der Staat schützen soll, genommen wird.
mit Christian Herwartz SJ, Jutta Becker und Reinhard Herbolte
Die Exerzitien können helfen, sich besser kennen zu lernen, Abhängigkeiten bewusst zu machen, Stille und Meditation einzuüben, spüren zu lernen, was jetzt dran ist.
Dazu ist notwendig, sich mehrere Wochen lang auf diesen Weg einzulassen:
Am 7.-9. Febuar trafen sich in Dortmund ca. 40 Menschen, die als Begleiter von Exerzitien auf der Straße schon aktiv sind oder es noch werden wollen. Das Jahrestreffen fand in der Pfarrei St. Clement in Dortmund statt. Dank an Andreas und Katrin für die wunderbare Beherbergung, und an alle anderen, die mitgewirkt haben.
Am Rande hat einer uns auf der Straße ein paar Botschaften gesandt:
… in einem Fenster an der Straße …
… an einem Lampenpfahl kurz danach …