Markus Hap (März 2005)
Berlin im März 2005: Seit nunmehr 5 Monaten hatte ich intensiven Kontakt zu den Jesuiten in Deutschland und im Rahmen einer Veranstaltung der Berufungspastoral verschlug es mich im März 2005 nach Berlin und in die Naunynstrasse zu P. Christian Herwartz. Der meine Begleiter und mich dazu einlud, einen Tag Exerzitien auf der Strasse zu machen.
Unsere Aufgabe:
Einen Tag lang durch Berlin streifen und Gott auf der Strasse suchen. Hierzu sollten wir uns einen festen religiösen bzw. spirituellen Knotenpunkt aus einer Liste aussuchen, und mit einem Stadtplan bewaffnet dorthin gelangen. Der Weg sollte mit ignatianischer Indifferenz beschritten werden, und wir unserem inneren Drang folgen. Sollte unsere Wahrnehmung und unser Gefühl uns an einem Ort verweilen lassen, so sollte dies geschehen. Des weiteren wurden uns innerhalb des Vorbereitungsgespräches verschiedene, vergangene Erfahrungen mitgeteilt, sowie gewisse Verhaltensmassregeln mit auf den Weg gegeben, zu denen ich später noch kommen werde.
Aus der Liste der spirituellen Plätze wählte ich einen buddhistischen Tempel im Nordwesten Berlins aus. Der einzige Ort auf der Liste der mich irgendwie inspirierte. Auf Grund der Karte schätzte ich einen Fußweg von 2 Stunden.
Lassen Sie mich bitte an dieser Stelle erwähnen, dass es sich damals um meinen ersten Aufenthalt in Berlin handelte. So machte ich mich von der offenen Kommunität in Richtung Westen auf, hinein in die frühe Morgensonne und klirrende Kälte. Ich hoffe, Sie hatten schon einmal Gelegenheit einen solchen Tag zu genießen. Bitterkalt, strahlend klar und einfach wunderschön. Ein breites Lächeln auf meinen Lippen, und dem Schöpfer für diesen Tag dankend folgte ich dem Willen meiner Füße für ca. 45 Minuten. Ich schritt durch Strassen, die mich an meinen bisherigen Lebensweg erinnerten. Von den einfachen Gebäuden Kreuzbergs bis in den neuen Mediensektor.
Hier, am Standort meines damaligen Lebens ergriff mich der gleiche Zweifel, der mich auch einige Monate zuvor zu den Jesuiten geführt hatte. Ich konsultierte meine Karte, um festzustellen, dass ich mich nicht sehr weit von meinem Ausgangspunkt entfernt hatte, und einigermaßen verschlungene Wege hinter mich gebracht hatte. Eine weitere Reflektion meines Lebens.
Also wählte ich erneut meinen Weg in Richtung auf mein Ziel aus und folgte meinen Füssen. So gelangte ich über bzw. unter den Linden vorbei an der Charitée zur Invalidenstrasse. Ein dringendes menschliches Bedürfnis ergriff hier von mir Besitz und gepaart mit dem Hunger des späten Vormittags zog ich mich in ein Kaffee zurück. Ich dachte mir, dass die Invalidenstrasse, auf Grund Ihres Namens vielleicht ein Invalidenhospiz haben könnte, und dass ich an dieser Stelle vielleicht Gott finden könnte.
Pater Herwartz hatte uns unter anderem von vorherigen Teilnehmern dieses Experimentes erzählt, die im Rahmen Ihrer Exerzitien Zeit mit Menschen verbracht hatten, die im Normalfall am Rande der Gesellschaft stehen und nur selten jemanden haben, mit dem Sie normal sprechen können. Also dachte ich, dass vielleicht eine Nachmittagsbetreuung in einem solchen Hospiz mich meinem Ziel näher bringen könnte.
Was ich fand, war ein Seniorenheim und einen Park dahinter. Das Seniorenheim zog mich, Sie könnten sagen, magisch an. Aber ich hatte keine Ahnung wie ich daran gehen sollte. Also setzte ich mich erst einmal in den Park, auf die Bank neben einem Mann mittleren Alters, der in der Mittagssonne seine, nach dem Leergut neben ihm zu urteilen, 4. Flasche Bier gönnte. Rr machte sich allerdings sehr schnell auf seinen Weg, und so saß ich dann alleine im Park. Das Seniorenheim ging mir nicht aus dem Kopf, und so ging ich die 25 Meter Richtung Invalidenstrasse zurück und betrat den Ort.
Ich erklärte der Dame am Empfang, dass ich mich gerne als Gesprächspartner für alte Leute anbieten wollte, die seit Jahren keinen Besuch mehr gehabt hatten. Oh welch Misstrauen mir entgegen schlug. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher, auf frischer Tat ertappt. Wer ich denn sei, warum ich dass wollte. Meine kompletten Personalien. Im Anschluss teilte man mir mit, dass man nach Absprache mit einigen „Insassen“ mich innerhalb der nächsten zwei Wochen kontaktieren würde, um einen Termin unter strenger Aufsicht auszumachen. Hierauf bedankte ich mich höflich, informierte die Dame, dass ich nicht so lange in Berlin sei und machte mich wieder auf meinen Weg.
Ich war am deprimierensten Punkt meiner Reise angekommen, und wanderte nun eher ziellos weiter. Nach kurzer Zeit fand ich einen Friedhof, und ging zum Gebet in die Kapelle. Hier fand ich wieder Kraft und wanderte im Anschluss in Gedanken versunken über den Friedhof. Ehe ich mich versah fand ich mich an einem Ausgang wieder und las den Namen der Strasse auf der sich der von mir ausgesuchte Zielpunkt befinden sollte. Ich wandte mich nach links und nur einige Meter weiter – da war er. Im Vertrauen auf den Herrn findet man immer das was man finden sollte.
Für mich einige Informationen über die altruistische und die eher auf die persönliche Weiterentwicklung bezogene Seite des Buddhismus, die ich ohne Schwierigkeiten auf die Motivation der Jesuiten kolportieren konnte, und die mich bei Suche nach einer Antwort auf meine offene Frage unterstützte. Da ich eher ein Mann der Tat bin, war es für mich ein sehr lohnendes Experiment, dass ich jedem Leser wärmstens ans Herz legen möchte.